Filmvorschau „Her“: Sex mit Scarlett Johanssons Stimme
16.03.2014 von Fabian Pelcz
Subtile Science-Fiction trifft auf philosophische Betrachtung: In Spike Jonzes neuem Film „Her“ verliebt sich ein schrulliger “Lone Wolf” in ein neuartiges Betriebssystem mit sexy Stimme.
Es braucht eine Weile, bis man begreift, dass es sich bei Spike Jonzes neuestem Werk „Her“ um einen Science-Fiction-Film handelt. Es gibt keine fliegenden Autos oder ähnliches, Jones hat die Gegenwart einfach nur ein kleines Stückchen weiter gedacht: Die technischen Neuerungen haben sich subtil im Leben breit gemacht, der Alltag läuft über Spracherkennungs-Software. „Ein melancholisches Lied bitte“ sagt der von Joaquín Phoenix gespielte Hauptcharakter Theodore Twombly im Fahrstuhl wie zu sich selbst. Im nächsten Moment bekommt er es direkt aufs Ohr gespielt.
Theodore ist ein verzagter, introvertierter Charakter, der gerade in einer Scheidung steckt, die er eigentlich nicht will. Nach Feierabend (er schreibt als Ghostwriter die Liebesbriefe anderer) sitzt er alleine in seinem Appartement und verliert sich in Internetpornographie und ziemlich ausgefuchsten Hologramm-Videospielen. Erst ein neuartiges Betriebssystem mit dem Namen „OS“ schafft es, ihn aus seiner Lethargie zu befreien. “OS” ist eine virtuelle Gefährtin, eine Software, die Theodores Festplatten scannt, seine Internetbewegungen “überwacht” und ihn dadurch sehr schnell ausgesprochen gut kennenlernt. Die ihr einprogrammierte Fähigkeit zu intuitivem Reagieren ist so hoch entwickelt, dass sie sich auf die Frage nach einem Namen schnell selbst einen gibt: Samantha. Samantha ist verständnisvoll, lustig, schlagfertig und spricht zu Theodore mit der verführerischen Stimme von Scarlett Johansson. Bis auf das Fehlen eines Körpers scheint sie wie für ihn gemacht zu sein.
Und tatsächlich: Nachdem Theodore ein Blind-Date mit einer Frau aus Fleisch und Blut mißglückt, werden die Gespräche zwischen ihm und seinem intelligenten Betriebssystem immer tiefer. So tief und erotisch, dass sie sich in einander verlieben und durch die Linse eines Smartphones fortan den Blick auf die Welt teilen. Auch in Theodores Umfeld lassen sich immer mehr Menschen auf Beziehungen mit dieser Art von “OS”-Software ein. Anfangs ahnt keiner – und das ist der besondere Dreh von Jonzes Film – dass es ja vor allem für den Computer auf Dauer unbefriedigend sein muss, mit einem intellektuell limitierten Wesen wie dem Menschen zusammen zu sein. “Sprichst du in diesem Moment noch mit anderen?” fragt Theodore Samantha schließlich, einem schlechten Gefühl und Verdacht folgend .”Mit 8316 anderen OS-Systemen” antwortet Samantha zögernd. “In 641 davon bin ich verliebt”.
Wie schon frühere Werke von Jonze (z.B. “Being John Malkovich”) funktioniert auch “Her” auf mehreren Ebenen. Einerseits ist der Film ein modernes Liebesdrama, das zeitgeschichtliche Fragen wie Privatssphäre und Individualität verhandelt. Auf einer zweiten, stärkeren Ebene entfaltet sich „Her“ zu einer philosophischen Betrachtung über das Ich-Bewusstsein des Menschen, zu einer Reflektion über die Stimme im Kopf, die einen ein Leben lang begleitet und sich höchstens durch Meditation auflösen lässt. Nicht umsonst basiert das „hyperintelligente“ “OS”-System, mit dem Samatha Theodore zum ersten Mal betrügt auf dem 1973 verstorbenen Zen-Experten und Hippie-Psychonauten Alan Watts.
Spike Jonze “Her” startet am 27. März 2014 in den deutschen Kinos. Einen Trailer kann man hier sehen:
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